Role construction and boundaries in interprofessional primary health care teams: a qualitative study
MacNaughton K., Chreim S., Bourgeault I.L.
BMC Health Services Research 2013, 13:486
Mit zunehmender Zusammenarbeit in interprofessionellen Teams kommen neue Herausforderungen auf das medizinische Fachpersonal zu. Eine Schwierigkeit stellt beispielsweise die Koordination der unterschiedlichen Berufsgruppen in einem Team dar.
MacNaughton, Chreim und Bourgeault haben die vorliegende qualitative Studie durchgeführt, um herauszufinden, wie Rollen in interprofessionellen Teams in der medizinischen Versorgung konstruiert werden. Mit der Rollenkonstruktion ist hier gemeint, dass für die Erreichung des gemeinsamen Ziels, die Aufgaben und Funktionen innerhalb des Teams auf die Mitglieder der verschiedenen Berufsgruppen verteilt und zum Teil ausgehandelt werden müssen.
Der Fokus der Studie liegt dabei auf der Abgrenzung von Rollen, den Einflüssen auf ihre Entwicklung und den Konsequenzen für das Fachpersonal und die PatientInnen. Dafür wurden Daten aus zwei interprofessionellen Teams erhoben, indem Interviews und teilnehmende Beobachtungen von Team Meetings durchgeführt wurden.
Die AutorInnen entwickelten ein Modell, welches die Elemente der Rollenkonstruktion darstellt und in einen Zusammenhang setzt. Dieses könnte in der Praxis dazu genutzt werden, um die Rollen eines Teams und die Menschen, die sie ausfüllen, zu beschreiben und daraus ableitend Personalentscheidungen zu treffen. Beispielsweise könnte man sich fragen, ob die Rollen mit den geeigneten Menschen besetzt sind oder ob die Rollen mit dem gemeinsamen Ziel des Teams vereinbar sind. Für eine ausführliche Darstellung und Beschreibung des Modells möchte ich Sie an dieser Stelle auf den zugrundeliegenden Artikel verweisen und werde lediglich einige ausgewählte Aspekte erläutern.
Die Rollen der verschiedenen Berufsgruppen in einem interprofessionellen Team können durch die Eigenschaften „Art der Interaktion“ und „Verteilung der Verantwortlichkeit“ beschrieben und voneinander abgegrenzt werden. Auf jeder Ebene zeigen sich zwei entgegengesetzte Ausprägungen:
Interaktionsebene:
Ebene der Verantwortungsverteilung
Innerhalb eines Teams können verschiedene Rollentypen auftreten und die Rolle eines Teammitglieds kann unterschiedliche Ausprägungen haben. Beispielsweise interagiert ein Teammitglied mit dem/ der einen KollegIn häufig (kollaborative Rolle) und mit dem/ der anderen eher selten (autonome Rolle).
Aus den unterschiedlichen Charakteristika der Rollentypen folgen diverse Konsequenzen für die Teammitglieder und die PatientInnen. Als Vorteile von kollaborativen Rollen nennen einige der Befragten eine ganzheitlichere Behandlung der PatientInnen, eine bessere Koordination und eine stetigere Gesundheitsfürsorge. Sie sagen, sie würden vom Wissen und der Unterstützung anderer Fachrichtungen profitieren. Andere Befragte heben jedoch hervor, dass sie die autonome Dimension ihrer Rolle schätzen. Sie legen viel Wert auf ihre Unabhängigkeit und ziehen daraus ihr Selbstbewusstsein eigenständig Entscheidungen zu treffen. Austauschbare Rollen können die Arbeitsbelastung lindern und die Vertrautheit mit dem gesamten Behandlungsteam steigern. Wenn sich Verantwortungsbereiche überschneiden, besteht allerdings die Gefahr, dass es Unklarheiten rund um die Rollenverteilung gibt. Die differenzierten Rollen wiederum haben da den Vorteil, dass Machtkämpfe unwahrscheinlicher sind. Außerdem können sich die einzelnen Individuen auf ihre eigenen spezifischen Fähigkeiten in ihrem Fachbereich konzentrieren und diese optimieren.
MacNaughton et al. gehen davon aus, dass sich die Ausprägungen der beiden Ebenen nicht gegenseitig ausschließen. Die AutorInnen weisen sogar darauf hin, dass eine Tendenz zu den jeweiligen Extremen der Rollentypen negative Konsequenzen haben könnte, da alle Typen Vor- und Nachteile aufweisen. Sie schließen, dass eine Balance zwischen den jeweiligen Polen „autonom“ und „kollaborativ“ sowie „austauschbar“ und „differenziert“ herrschen muss. Beispielweise behaupten sie, dass die Autonomie einzelner Beteiligter ein wichtiger Bestandteil eines funktionierenden Teams sei und kollaborative Zusammenarbeit nicht ausschließt. Wenn ein Teammitglied beispielsweise eine hohe Fähigkeit hat, selbstständig und autonom Aufgaben zu bewältigen und Entscheidungen zu treffen, ist er oder sie auch eher dazu in der Lage, bedeutsame Beiträge zu gemeinsamen Diskussionen über die Behandlung von PatientInnen beizusteuern. Die Partizipation und der Respekt füreinander innerhalb des Teams können ansteigen. Ergebnis kann eine effektivere, kollaborative Zusammenarbeit sein.
Es gibt verschiedene Einflüsse auf die Rollenkonstruktion und deren Abgrenzungen, die sich auf die Interaktionen, die Beziehungen und die Zusammenarbeit im Team auswirken. Die AutorInnen identifizieren 3 Einflussarten auf die Ausgestaltung der Rollen:
Das Wissen über die spezifischen Einflüsse könnte dazu genutzt werden, die Art der Zusammenarbeit in einem Team gezielt zu gestalten und zu steuern. Beispielsweise kann die physikalische Nähe der unterschiedlichen Berufsgruppen dazu beitragen, das Interaktionspotential und somit die kollaborative Zusammenarbeit zwischen den Teammitgliedern zu erhöhen.
Das entwickelte Modell und die Ergebnisse der Studie sollen dazu beitragen, interprofessionellen Teams einen Einblick in die Konstruktion von Rollen zu geben. Medizinisches Fachpersonal und Führungskräfte sollten die Potentiale der unterschiedlichen Rollenausprägungen und deren Charakteristika wahrnehmen und nutzen.
A qualitative interpretation of challenges associated with helping patients with multiple chronic diseases identify their goals
Boeckxstaens P., Willems S., Lanssens M., Decuypere C., Brusselle G., Kühlein T., De Maeseneer J., De Sutter A.
Journal of Comorbidity 2016, 6(2), 120–126
Normalerweise werden PatientInnen mit mehreren chronischen Erkrankungen krankheitsspezifisch und problemorientiert behandelt, wobei die Behandlungserfolge anhand von biomedizinischen Indikatoren gemessen werden. Seit den 90er Jahren verbreitet sich jedoch die Einstellung, dass multimorbide PatientInnen am Zielsetzungsprozess beteiligt werden sollten, um ihre individuellen Ziele in die Behandlung mit einzubeziehen. Obwohl die Vorteile solch einer zielorientierten Behandlung heute weitestgehend anerkannt sind, ist es noch nicht klar, wie PatientInnen ihre Ziele definieren und welche Aspekte für sie in diesem Prozess eine Rolle spielen.
Das Ziel der qualitativen Studie von Boeckxstaens et al. war es, diese Fragen durch Interviews mit 19 PatientInnen zu beantworten. Alle Befragten leideten unter Chronisch obstruktiver Lungenerkrankung und weiteren chronischen Krankheiten (Komorbiditäten). Die teilnehmenden PatientInnen waren im Alter zwischen 50 und 88 Jahren. In den drei Phasen der Untersuchung wurden unterschiedliche Interview-Strategien verwendet, um auf explorative Weise die Ziele der PatientInnen herauszufinden.
Identifikation persönlicher Ziele
Die wichtigste Erkenntnis dieser Studie war, dass die PatientInnen, trotz der verschiedenen Strategien, die sie dabei unterstützen sollten, Schwierigkeiten hatten, ihre persönlichen Ziele zu identifizieren und auszudrücken. Sie waren meist sehr allgemein formuliert und beschränkten sich vorrangig auf ihren derzeitigen Gesundheitszustand und gingen nicht über ihr aktuelles Level der Aktivität hinaus. Häufig lag der Fokus darauf, dass sie keine Verschlechterung ihres Befindens möchten.
Boeckxstaens et al. haben vier Hypothesen entwickelt, um zu erklären, warum es so schwierig sein könnte, die Ziele der PatientInnen zu identifizieren:
Ein zusätzliches Hindernis könnte sein, dass die PatientInnen bezüglich ihrer Erwartungen gegenüber der Pflege durch das Gesundheitssystem geprägt seien. Sie seien eine patientenzentrierte Behandlung nicht gewohnt und könnten sich nicht vorstellen, dass ihre persönlichen Ziele einen Einfluss auf klinische Entscheidungen haben könnten.
Boeckxstaens et al. weisen basierend auf ihren Ergebnissen darauf hin, dass es im Kontext von zielorientierter Pflege wichtig ist, das theoretische Konzept zu einer klinischen Methode weiterzuentwickeln. Es müssten spezifische Schritte für die Anwendung des Konzeptes sowie Werkzeuge für die Messbarkeit ausgearbeitet werden. Die ÄrztInnen und das Pflegepersonal sollten darin trainiert werden, den PatientInnen das Konzept der Zielsetzung näherzubringen und sie dabei unterstützen, persönliche Hindernisse während des Prozesses zu überwinden.
Physiotherapists’ perceptions of patient adherence to prescribed self-management strategies: a cross-sectional survey of Australian physiotherapists
Peek K., Carey M., Sanson-Fisher R. & Mackenzie L.
Disability and Rehabilitation 2017, 39:19, 1932-1938
PhysiotherapeutInnen sind sich einig darüber, dass evidenzbasierte Selbstmanagementstrategien die Behandlungsergebnisse von PatientInnen verbessern. Dafür müssen diese sich allerdings auch an sie halten. Die sogenannte Adherence bezeichnet hierbei das bestmögliche Einhalten der Therapieempfehlung durch die Patientin/ den Patienten.
In der vorliegenden Studie wurden 298 PhysiotherapeutInnen der Australian Physiotherapy Association in einer internetbasierten Querschnittsstudie zu dem Thema Adherence befragt. Unter anderem sollten sie Methoden zur Verbesserung von PatientInnen-Adherence nach ihrer Wichtigkeit einschätzen.
Die wichtigsten Maßnahmen aus Sicht der befragten PhysiotherapeutInnen waren:
Die AutorInnen ergänzen aus der Literatur, dass eine positive Einstellung zu den Übungen Adherence steigere und dass PatientInnen, welche die Strategien als effektiv empfanden, eher dazu neigten diese weiterhin zu befolgen. Außerdem spiele die Beziehung zu dem/der PhysiotherapeutIn für Adherence eine wichtige Rolle. Dabei geht es vor allem um Vertrauen und um den Wunsch, diese/n nicht zu enttäuschen. Professionelle Unterstützung, gute Kommunikationsfähigkeiten und Motivationstechniken sind hier entscheidend.
Helping International Medical Graduates Engage in Effective Feedback
Broquet K. E., M.D., Punwani M, M.D.
Academic Psychiatry 2012 Jul ; 36(4): 282-287
Feedback ist ein effektives Instrument, um die Arbeitsleistung zu verbessern, den Lernzuwachs zu erhöhen und die Fehlerquote zu senken. Die meisten medizinischen Graduierten z.B. in den Vereinigten Staaten sind das Erhalten und Verteilen von Feedback gewohnt, sobald sie die Facharztausbildung beginnen. Internationale AbsolventInnen (im Folgenden IMGs genannt, „international medical graduates“), die in der U.S.A ihre Ausbildung beginnen, haben häufig wenige oder sogar negative Erfahrungen mit Feedback. Sie haben bisher oft in sehr hierarchischen Systemen gelernt, in denen die aktive Interaktion mit leitenden ÄrztInnen weder toleriert noch unterstützt wurde. Der Artikel, der diesem Blogeintrag zugrunde liegt, stellt die Grundlagen von gutem Feedback dar und zeigt Probleme auf, die im Bezug auf IMGs eintreten können. Dazu untersuchten die Autorinnen Broquet und Punwani sachbezogene Literatur zum Thema Feedback und Berichte und führten Interviews mit IMGs.
Grundregeln von effektivem Feedback
Feedback kann von Vorgesetzten, PatientInnen oder Gleichgestellten kommen. Wichtig dabei ist, dass es glaubwürdig und wohlmeinend ist. Jede Feedbackrunde sollte optimaler Weise mit Fragen zur Selbstreflexion beginnen: „Was gelingt Ihnen gut und was könnten Sie noch verbessern?“ Feedback sollte immer konkrete Informationen enthalten, die auf wahrheitsgemäßen Beobachtungen beruhen. Es ist nie persönlich, sondern bezieht sich auf das aktive und korrigierbare Verhalten einer Person und beinhaltet nachvollziehbare Verbesserungsvorschläge. Es muss erwartbar sowie zeitnah zur Leistungserbringung sein, damit es nachvollziehbar bleibt. Es sollte, wenn möglich in einer privaten und sicheren Umgebung stattfinden. Es sollte immer relevant für den Lernenden sein und auf klaren Erwartungen basieren. Das gemeinsame Ziel durch wechselseitiges Feedback sollte es sein, Unsicherheiten zu reduzieren und eine gute Zusammenarbeit zu gewehrleisten. Die Sprache sollte dabei beschreibend und wertfrei sein. Gutes Feedback sollte positive und negative Aspekte beinhalten. Positives bzw. bestärkendes Feedback ist effektiver, wenn es in der 2ten Person vorgetragen wird: „Sie haben die Situation sehr gut gehandhabt.“ Negatives Feedback wird meist besser aufgenommen, wenn es in der ersten Person übermittelt wird: „Ich hatte Schwierigkeiten Ihrer Präsentation zu folgen.“
Schwierigkeiten im Feedbackprozess bei IMGs
Ein gutes Lernklima ist bei IMGs besonders wichtig, da sie laut ihren Berichten Feedback oft mit Scham und Verlegenheit assoziieren. Es ist hilfreich und angeraten negatives Feedback zwischen positives Feedback einzubetten, da sie bisher oft nur negatives Feedback erfahren haben. Für IMGs kann besonders die Aufforderung, sich selbst einzuschätzen, Unbehagen hervorrufen, da sie ungerne Schwäche zeigen und der Druck sehr hoch ist positiv herauszustechen. Viele finden es schwierig, selber negatives Feedback an andere zu geben. „There is no way we can do that!“, so ein Befragter IMG. Ein weiterer erschwerender Faktor im Feedbackprozess mit IMGs können Sprachbarrieren sein. Um Missverständnisse zu vermeiden, ist es ratsam das Gegenüber das Besprochene in eigenen Worten wiederholen zu lassen, um sicher zu gehen, dass es richtig verstanden wurde. Es ist sinnvoll die Sprachprobleme im Feedbackprozess zum Thema zu machen, da IMGs oft deren Auswirkungen unterschätzen und es vor allem in der ÄrztInnen-PatientInnen Kommunikation zu Komplikationen führen kann.
Da Feedback einen so entscheidenden Teil der Weiterbildung ausmacht, sollten die Herausforderungen des Feedbackprozesses thematisiert werden. Viele können überwunden werden, indem die Ängste der IMG anerkannt werden und eine Lernkultur etabliert wird, in der Feedback als wichtiger Teil des Lernprozesses gewürdigt wird. Außerdem sollte sichergestellt werden, dass alle Beteiligten in Feedback Techniken geschult werden.
Rethinking Resident Supervision to Improve Safety: From Hierarchical to Interprofessional Models
Tamuz M, Giardina TD, Thomas EJ, Menon S, PhD, Singh H
J Hosp Med. 2011 October ; 6(8): 448–456
Michal Tamuz und Kollegen untersuchten in dieser qualitativen Studie aus dem Journal of Hospital Medicine (2011) die Betreuung von AssistenzärztInnen im Krankenhaus. Sie befragten 17 AssistenzärztInnen auf den Intensivstationen von drei US-amerikanischen Krankenhäusern dazu, wie diese sich fachlich betreut fühlen und wie sie Hilfe aufsuchen bzw. erhalten. Hintergrund war die These, dass eine optimale Aufsicht der AssistenzärztInnen die Patientenbehandlung verbessern und Medikationsfehler vermeiden könne.
Die Studie zeigte: